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Information der Zahnärztekammer und der KZV Hamburg

Den Geist wieder in die Flasche bekommen…

Der Vorstand der Bundeszahnärztekammer war 3 Tage in Klausur zum Thema MVZ und institutionelle Investoren

Den schönen Blick auf den Starnberger See konnten die Präsidenten der Landeszahnärztekammern nicht genießen. Der Zeitplan war eng und die Tagesordnung lang und intensiv.

Worum ging es?
Fonds und andere Kapitalgeber haben die Zahnmedizin jetzt auch in Deutschland im Visier. Sie übernehmen, wie in anderen europäischen Ländern schon länger an der Tagesordnung, größere Praxen, um Zahnarztketten zu bilden. Die Einzelpraxis gerät dadurch unter erheblichen Druck, da diese investorgeführten Rieseneinheiten günstige Kostenstrukturen, günstige Einkaufspreise und günstige weitere Rahmenbedingungen (z.B. unbegrenzt viele angestellte Zahnärzte) vereinigen. Wie also können Patienten und niedergelassene Kolleginnen und Kollegen geschützt werden?

Zunächst präsentierten der Hauptgeschäftsführer der Zahnärztekammer Hamburg Dr. Peter Kurz und sein westfälischer Kollege Frank Hanneken den Stand der Dinge. Große Fonds und Investoren wie EQT („Dentconnect“), Jacobs („Collosseum Dental“), Nordic Capital, Quadriga und Investcorp (aus Bahrain!) haben zum Halali auf den Deutschen Zahnmedizinmarkt geblasen. Die Entwicklung ist extrem schnell, nahezu täglich kommen neue Meldungen über Übernahmen oder Angebote an große Praxen
oder bestehende MVZ. Warum machen diese Investoren das? Weil in der Zahnmedizin noch bessere Renditen zu erwirtschaften sind, als in Zeiten der Niedrigzinsen in anderen Branchen üblich. Die Medizin (besonders Dialyse, Labormedizin und vermehrt die Augenheilkunde) und die Tiermedizin sind ebenso betroffen wie die Zahnmedizin- nur stört es bei den Humanmedizinern offenbar kaum jemanden.

Der Bundesvorsitzende des Freien Verbandes ZA Harald Schrader und der Vorstandsvorsitzende der Apobank Ulrich Sommer skizzierten Ihre Überlegungen zu Versorgungsformen, die man den großen MVZ entgegensetzen könnte. Kollegiale Genossenschaften zur Kostenreduktion stellte Schrader vor. Ein interessanter Ansatz, der sicher weiter verfolgt und konkretisiert werden sollte, aber noch nicht
„marktreif“ erschien.

Ulrich Sommer präsentierte die Überlegungen der Apobank zum sanften Einstieg von jungen Kolleginnen und Kollegen in die Selbständigkeit. Die von ihm vorgestellte sog. „Fahrschulpraxis“ könne eine 2-3 Jahre währende Probeselbständigkeit bieten, die die Generation Y mitnehmen soll. Auch dieses Modell ist sicher diskussionswürdig, hilft aber noch nicht bei der zeitnahen Lösung des akuten Problems.

Sein süddeutsches MVZ „Alldent“ mit 320 Mitarbeiterinnen an 4 Standorten stellte Dr. med. dent Dr. jur. Ruben Stelzner vor. Er schilderte aus seiner Sicht die Vorteile der großen Einheiten und die Trends, die es der kleinen Einzelpraxis heute schwer machten. Warum sich seine MVZ trotz gegenteiliger Beteuerungen nur in kaufkräftigen Großstädten und nicht in ländlichen Regionen tummeln, wurde
allerdings kritisch hinterfragt.

Mit großer Spannung erwartet wurde der Auftritt des Ministerialrates im Bundesgesundheitsministerium (BMG) Dr. jur. Ulrich Orlowski. Er desillusionierte die Runde mit seiner eher ablehnenden Bewertung von gesetzlichen Änderungen. Er negierte zwar nicht, dass die Gesetzesänderung 2015 uns eventuell Probleme brächte. Die Lösung hingegen überließ er den anwesenden Standespolitikern durch „Flexibilisierung“. Was damit gemeint war, wurde nicht ganz klar. Orlowski betonte, dass die Qualitätskontrolle der fremdkapitalfinanzierten MVZ weiterhin durch die KZVen zu erbringen sei.

Etwas mehr Hoffnung auf eine Gesetzesänderung wurde dann von Dietrich Monstadt (CDU, MdB) gemacht. Er als für die Zahnärzte im Bundestag Zuständiger betonte, dass bei den Fachpolitikern
und in seiner Partei die Sorgen der Zahnärzteschaft beim Thema investorenfinanzierte MVZ sehr wohl
ernst genommen werden. Das Thema sei noch nicht entschieden, insofern sollte die Zahnärzteschaft ihre Argumente pointiert vortragen.

Der Vorstand der BZÄK war sich in der Bewertung einig, dass man schnell etwas tun müsse, um die weitere explosionsartige Verbreitung der „toxischen MVZ“ zu stoppen, bevor das gut funktionierende System der zahnärztlichen Versorgung im Lande Schaden nehme.

In der Diskussion wurden folgende Standpunkte diskutiert:

Qualität vs. Renditemaximierung
Kapital suche in erster Linie Rendite und nicht unbedingt Qualität. Großen Fonds könne es oftmals nur darum gehen, neue große Ketten zu bilden, die „Braut hübsch zu machen“ und das Unternehmen nach 5-7 Jahren meistbietend gewinnbringend zu verkaufen. Die von den Niedergelassenen erbrachte gute Versorgung der Patienten mit hoher zahnmedizinischer Qualität könne dabei bedenklich in den Hintergrund rücken.

Vergewerblichung verhindern
Patientenschutz, Patientenbindung und gute Behandlung seien den Niedergelassenen ein elementares Anliegen. Eine Vergewerblichung des Zahnarztberufes durch die Ketten mit im Endeffekt langfristig erheblich steigenden Preisen für den Patienten durch Renditemaximierung der Fonds seien zu verhindern.

Sogwirkung der Großstadt-MVZ
Ursprünglich wurden 2015 arztgruppengleiche MVZ vom Gesetzgeber ermöglicht, um die (humanmedizinische!) Versorgung auf dem Lande zu verbessern. Herausgekommen
seien rein zahnmedizinische MVZ, die sich zu 80% in den finanzstarken Großstadtregionen
gebildet haben. Junge Zahnmediziner, die ursprünglich gern angestellt auch in ländlicheren Regionen
arbeiten möchten, würden von der Sogwirkung der städtischen MVZ erfasst und orientierten sich ebenfalls Richtung Großstadt. Die zahnärztliche Versorgung auf dem Lande werde dadurch also schlechter und nicht besser.

Aufklärung für junge Kolleginnen und Kollegen
Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte müssten wissen worauf sie sich einlassen, wenn sie bei institutionellen Anlegern anheuern. Wie frei ist die Berufsausübung im Hinblick auf Materialwahl, Umsatzdruck, Zeitdruck und Verkaufsorientierung? Wird das „Umsatz- und Verkaufsgespräch“ beim
Manager der Kette dann wöchentliche Realität für die jungen Kolleginnen und Kollegen?

Die gesetzlich möglichen Wege die Investoren-MVZ zu stoppen waren dann das letzte Thema der Klausur. Man war sich einig, dass das Problem so dringend und zeitkritisch ist, dass man der Politik alle Möglichkeiten der Gesetzesanpassung darstellen und anbieten müsse: Ob es sich um die Übernahme von „Fremdkapitalverboten“ aus den Berufsordnungen in das Sozialgesetzbuch oder das Verbot der Möglichkeit für Großkapitalgeber mit erworbenen kleinen Krankenhäusern MVZ zu gründen oder das Verbot der 2015 vom Gesetzgeber ermöglichten arztgruppengleichen MVZ handelejeder gangbare Weg hin zu einer Lösung sei denkbar und zu begrüßen.

Nur schnell gehen müsse es- denn es würden täglich Fakten geschaffen von den Investoren. Die Zeit drängt…