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Gutachtertagung 2019

Kammer und KZV Hamburg luden Ende 2019 zur gemeinsamen Gutachtertagung in die Alstercity ein. Über 60 Kolleginnen und Kollegen folgten dem Ruf und trafen sich zur Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch.

So wurde die Gutachtertagung um 14:30 Uhr vom Hauptgeschäftsführer der Zahnärztekammer, Dr. Peter Kurz, eröffnet. Als Gast wurde der ehemalige und langjährige Gutachterreferent der KZV, Dr. Claus St. Franz, willkommen geheißen. Dr. Kurz hob die gute Zusammenarbeit der Körperschaften in Hamburg hervor und gratulierte den beiden ab dem 01.05.2020 eingesetzten neuen Vorstandsmitgliedern der KZV, Dr. Gunter Lühmann und Stefan Baus, zur Wahl. Dr. Kurz setzt weiterhin auf einen guten Austausch zwischen den Körperschaften.  

Exkurs: Funktionslehre und die Schienentherapie
Dr. Lühmann, Gutachterreferent der KZV, stellte sodann den Hauptreferenten der Tagung, Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Meyer, vor. Prof. Meyer, seit 1993 Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie, Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde im Zentrum für ZMK der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, fasste unter dem Arbeitstitel „Update – Funktionslehre für Gutachter – Grundlagen der Schienentherapie“ –  die aktuellen Erkenntnisse aus der Funktionslehre zusammen.  

Prof. Meyer begann mit einem hochwertigen und mit zahlreichen persönlichen Anekdoten bereicherten Exkurs in die Funktionslehre und die Schienentherapie. Er berichtete, dass im Jahr 2017 das Oberlandesgericht München in einem Urteil zur Versorgung mit Zahnersatz entschieden hat, dass ein Funktionsscreening (z. B. CMD-Kurzbefund) verpflichtend ist, vor der Anfertigung und Eingliederung von ZE. Der Däne Krogh-Poulsen hat bereits vor Jahrzehnten einen funktionellen Kurztest entwickelt, der von Ahlers und Jakstat modifiziert und modernisiert wurde.

Der Einstieg in die Diagnostik ist demnach immer der „Watterollentest“. Hieraus ergeben sich ggf. Diskrepanzen zwischen der zentrischen Relation und der habituellen Bisslage. Weitere Befunde aus dem Screening führen dann zur Einschätzung, ob eine CMD wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist. Bei dem Verdacht einer Beteiligung der Okklusion bei vorliegenden Beschwerden, besteht dennoch nur eine 50%ige Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg einer Schienentherapie. Prof. Meyer stellte den Teilnehmern durch den gesamten Vortrag einen Patientenfall dar. Er führt aus, dass es ein ganzes Faktorenbündel der Ätiologie für CMD gibt. Die Wissenschaft ist im Laufe der letzten Jahre auf dem Gebiet der Neurophysiologie vorangeschritten. Prof. Meyer hat es in seinem Vortrag nicht versäumt, immer wieder auf die gutachterlichen Zusammenhänge hinzuweisen. Sein allen Teilnehmern vorliegendes Vortragsmanuskript unterstützte seine Ausführungen.
Prof. Meyer trug vor, dass man heute weiß, dass die Form der Kiefergelenke und die Engramme im Gehirn für die Bewegungsabläufe im Wachstum programmiert werden. Insofern sind Knirschphänomene bei Kindern normal und zweckmäßig. Schlussendlich sind entspannte Muskeln Voraussetzung für das Funktionieren auch des Kausystems. Prof. Meyer bezeichnete den Artikulator, wegen des Erkenntnisgewinns, gegenüber der reinen klinischen Betrachtung, als „EKG“ des Zahnarztes. Abschließend beschrieb Prof. Meyer die verschiedenen Aufbissbehelfe zur muskulären Entspannung und ihre Wirkungsweise.
Unter großem Beifall beendete schließlich Prof. Meyer seinen Vortrag und stellt sich den Fragen der Gutachter.

Zahlenwerk: Zahnärztliche Gutachten
Nach der Pause, die auch immer dem Erfahrungsaustausch der Gutachter dient, stimmte dann der Gutachterreferent der Zahnärztekammer, Thomas Springer, die Anwesenden auf das Zahlenwerk der Privat- und Gerichtsgutachten eingestimmt. Die Anzahl der Gerichtsgutachten ist in 2017 von 53 auf 45 in 2018 zurückgegangen. Die Anzahl der Privatgutachten hat sich gegenläufig entwickelt. Hier gab es eine Steigerung von 57 auf 70 Gutachten in 2018. Thomas Springer informierte die Teilnehmer über die Fortbildungsmöglichkeiten zur Teilnahme von Curricula für zahnärztliche Gutachter. Des Weiteren gab er noch allgemeine Hinweise für die Erstellung von Privatgutachten.
Im Anschluss daran berichtete Stefan Baus, Abteilungsleiter Abrechnung, Gutachterwesen und Patientenberatung der KZV, von den Gutachtenzahlen der KZV. Zum Stichtag 30.11.2019 lagen von den Primärkassen 1.602 Gutachten vor. Damit ist die Anzahl der Aufträge zum zweiten Mal in Folge nach 2018 stark zurückgegangen. Gegenüber 2017 liegt das Auftragsniveau aktuell nur noch bei 53%. Der Auftragsrückgang bei den Primärkassen insgesamt spiegelt sich auch in den Zahlen einzelner Krankenkassen wieder. Im Rahmen der neuen Regelungen des Bundesmantelvertrages haben Krankenkassen von der Möglichkeit von Gutachtenerstellungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Gebrauch gemacht. Anders sieht die Entwicklung bei den vdek-Kassen aus. Hier gab es mit der Einführung der Festzuschuss-Systematik 2005 zunächst einen erheblichen Rückgang bei den Gutachten. Das Auftragsniveau von 2004 wurde erst nach über 10 Jahren im Jahr 2015 erreicht.  Durch die Steigerung mit über 2.500 jährlichen Gutachten haben die vdek-Kassen die Primärkassen als Hauptauftraggeber für vertragszahnärztliche Gutachten abgelöst.  

Anerkannt: Vertragszahnärztliches Gutachterwesen
Für die hohe Planungsqualität der Hamburger Zahnärzte spricht der Umstand, dass 60% der Planungen uneingeschränkt und weitere 25% mit teilweisen Einschränkungen befürwortet werden. Lediglich 15% der Planungen werden abgelehnt. Für die Akzeptanz des vertragszahnärztlichen Gutachterwesens und die Qualität der Gutachten ist die geringe Nutzung der Widerspruchsinstanzen ein Indikator. Bei insgesamt über 4.000 Gutachten zum 30.11.2019 liegen nur 42 Prothetik-Einigungsverfahren und 28 Obergutachten vor.

Dann übernahm Dr. Lühmann und berichtete über das gute Verhältnis zu den Krankenkassen in Hamburg. Des Weiteren wies Dr. Lühmann auf die Einführung des
DICOM-Dateienformates für Röntgenbilder zum 01.01.2020 hin.

Dr. Lühmann machte die Teilnehmer auf den täglichen Service der Patientenberatungsstellen der Körperschaften aufmerksam, die mit viel Personalaufwand und Erfahrung versuchen, im täglichen Gespräch mit den Patienten im Vorwege zu möglichen Gutachterverfahren Konflikte zu entschärfen und Lösungswege aufzuzeigen.
Zum Ende der Veranstaltung bedankten sich die beiden Gutachterreferenten der Körperschaften bei den Gutachtern für ihre Anwesenheit und Aufmerksamkeit und bei der Verwaltung – speziell bei Frau Steenhus – für die umsichtige und perfekte Planung der Veranstaltung.

Thomas Springer