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Zähneknirschen/Bruxismus

Rechtzeitig behandeln

Junger Mann hält seine Hand an die Wange vor Schmerzen

Zähneknirschen gefährdet Ihre Mundgesundheit

Es passiert häufig in der Nacht und die Betroffenen bemerken in der Regel nichts davon: Plötzlich spannen sich die Kaumuskeln an und ziehen den Unterkiefer hoch. Die Zähne reiben und pressen gegeneinander. Die Zahnmedizin spricht von Bruxismus. Neben dem so genannten Schlafbruxismus gibt es den Wachbruxismus. Auch hier reiben und pressen die Zähne aufeinander, nicht selten verbunden mit nervösen Gewohnheiten und Ticks. 

Junge Frau liegt schlafend im Bett
Etwa jeder zehnte Deutsche knirscht mit den Zähnen. Frauen knirschen häufiger als Männer. Am stärksten betroffen ist die Altersgruppe zwischen 30 und 45 Jahren.

Knirschen schädigt das Gebiss

Gebiss mit abgeschliffenen Frontzähnen. An den Eckzähnen auf der rechten Seite hat sich das Zahnfleisch zurückgezogen
Zähneknirschen schädigt das gebiss: Deutlich zu sehen sind die abgeschliffenen Frontzähne. An den Eckzähnen auf der rechten Seite (Pfeile) hat sich das Zahnfleisch zurückgezogen.

Da im Unbewussten, vor allem im Schlaf, natürliche Schutzreflexe gegen ein zu starkes Kauen deaktiviert sind, knirschen die Zähne mit einem Vielfachen des normalen Kaudrucks aufeinander. Das hat Folgen: Mit der Zeit wird immer mehr Zahnsubstanz abgeschliffen. Der Zahnschmelz, die harte, äußere Hülle des Zahns, kann rissig werden - Teile des Zahnschmelzes platzen dann ab. Zähne können sogar komplett durchbrechen, was zum Zahnverlust führt. Eine weitere Folge des Zähneknirschens kann zurückgehendes Zahnfleisch, verbunden mit der Freilegung empfindlicher Zahnhälse sein - häufig bilden sich keilförmige Defekte an den Zähnen (s. Bild unten). Gefährdet sind auch Füllungen, Inlays und Zahnersatz, die durch das Knirschen beschädigt werden können. Die starke Muskelaktivität beim Knirschen kann zu muskulären Verspannungen, Migräne, Kopf- und Gesichtsschmerzen führen. 

Ursachen

Wie bei vielen Krankheiten gibt es auch beim Bruxismus keine allein verantwortliche Ursache. Zähneknirschen ist ein Resultat verschiedener Prozesse, die je nach individueller Situation des Patienten unterschiedlich stark beteiligt sind. 

Der Volksmund hat mit Bildern wie „die Zähne zusammenbeißen“ oder „etwas zähneknirschend hinnehmen“ bereits intuitiv die Verbindung zwischen Zähnen und psychischen Belastungssituationen hergestellt. Psychische Faktoren wie Stress, Ängste, Durchschlafstörungen werden heute als eine wesentliche Ursache für das
Zähneknirschen angesehen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass beim Zähneknirschen tatsächlich Stresshormone im Gehirn abgebaut werden - das Knirschen löst also „psychische Verspannungen“.

Als weitere Auslöser/Risikofaktoren für Bruxismus diskutieren Wissenschaftler heute auch den Einfluss von Nikotin, Koffein und Alkohol, die Einnahme bestimmter Medikamente und genetische Einflüsse, wobei jedoch noch Unsicherheit über die Beteiligung dieser Faktoren herrscht. Auch Atmungsstörungen während des Schlafes werden als Ursache des Knirschens diskutiert.

Lange Zeit wurden Störungen des Zusammenbisses als ursächlich für das Knirschen angesehen. Der Mensch spürt bereits ein dünnes Haar zwischen den Zahnreihen und reagiert auf diese winzige Abweichung des Zusammenbisses mit Kaubewegungen, um die ursprüngliche Lage der Kiefer wiederherzustellen. In Zahnlücken kippende Zähne, neue Füllungen oder Zahnersatz können ebenso die Kaumuskulaktivität anregen und damit - so die Annahme - Zähneknirschen auslösen. Ein solcher Zusammenhang konnte aber bislang wissenschaftlich nicht belegt, allerdings auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Diagnostik

Woran erkenne ich, ob ich an Bruxismus leide

Erste Hinweise auf das Zähneknirschen kommen meist vom Schlafpartner und aus der Selbstbeobachtung. Verspannungen oder Schmerzen der Kaumuskulatur - besonders nach dem Erwachen - können auf Bruxismus hindeuten. Hilfreich ist es, sich die Zähne im Spiegel anzusehen: Sind dort kleine Schliffspuren oder Abplatzungen zu entdecken, empfiehlt sich zur Abklärung ein Besuch in der Zahnarztpraxis. Der Zahnarzt kann sehr genau die Zähne untersuchen und zusätzlich die Kaumuskulatur auf Verspannungen und Muskelknötchen abtasten. Verdichten sich die Hinweise auf Bruxismus, sollte unbedingt eine Therapie eingeleitet werden, um Zahnschäden und ggf. eine Abnutzung der Kiefergelenke zu vermeiden. 

Zähneknirschen bei Kindern

Auch Kinder knirschen häufig mit den Zähnen. Im Unterschied zu Erwachsenen schadet das in der Regel nicht, auch wenn deutliche Spuren im Milchgebiss sichtbar sind. Experten sehen das Knirschen in vielen Fällen als natürlichen Vorgang, der mit dem Zahn- und Schädelwachstum zusammenhängt. Nach dem Durchbruch der bleibenden Zähne sollte jedoch das Knirschen aufhören.

Kindlicher Bruxismus kann auch ein Ausdruck psychischer Belastung (Stress, Ängste) sein. Gibt es dafür Anhaltspunkte, sollten Eltern versuchen, eventuelle Stressfaktoren im kindlichen Alltag (z. B. zu viele Freizeitaktivitäten) abzubauen.

Therapie

Hat sich der Verdacht auf Bruxismus erhärtet, sollte als erstes in der Zahnarztpraxis geklärt werden, ob offensichtliche Probleme des Zusammenbisses vorliegen. Zu hoch stehende Füllungen oder Zahnersatz können meist problemlos durch Abschleifen der entsprechenden Bereiche angepasst werden.

Als weitere Sofortmaßnahme wird meist die Anfertigung einer einfachen Aufbissschiene sinnvoll sein. Diese Schiene besteht aus transparentem Kunststoffmaterial und dient in erster Linie zum Schutz von Zähnen und Zahnersatz vor weiterem Abrieb durch das Knirschen. Vorübergehend kann - durch die ungewohnte Mundsituation bei eingesetzter Schiene - auch das Knirschen reduziert werden. Ein dauerhaftes Abklingen des Bruxismus wird aber in der Regel damit nicht erreicht.

Da psychische Faktoren beim Zähneknirschen oft eine große Rolle spielen, ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, welche Gewohnheiten und Situationen im alltäglichen Leben möglicherweise unbewusst Stress, Ängste, Überforderungen bewirken. Hier können Sie mit einer „psychisch gesünderen“ Lebensweise einiges zum Abstellen des Zähneknirschens beitragen. In komplizierteren Fällen psychischer Problemlagen sollten Sie auch eine Psychotherapie in Erwägung ziehen.

Eine Aufbissschiene liegt in einer Schutzdose
Die Aufbissschiene kann für die Zahnreihe im Ober- und Unterkiefer gefertigt werden und schützt die Zähne vor weiterem Abrieb durch das Knirschen.

Für eine langfristige Therapie des Zähneknirschens stehen spezielle, individuell anzupassende Schienen zur Verfügung. Im Unterschied zu einfachen Aufbissschienen wird mit diesen Schienen die Kaufläche neu gestaltet, um Knirschbewegungen gezielt „abzutrainieren“. Die Kosten für diese Therapie werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen.
Die Kaumuskeln sind eng verbunden mit der Wirbelsäule und der gesamten Körpermuskulatur. So können zum Beispiel auch ungünstige Körperhaltungen am Arbeitsplatz oder ein Beckenschiefstand Einfluss auf die Kaumuskulatur haben. Wenn es für ein solches Ursachengefüge Anhaltspunkte gibt, sollte das in einer orthopädischen Praxis abgeklärt werden.

Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)

Wissenschaftlichen Studien zufolge klagen 20-30 % der Patienten mit Schlafbruxismus über Mund- und Gesichtsschmerzen. In diesen Fällen liegt möglicherweise eine so genannte Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) vor. CMD ist ein Sammelbegriff für „Fehlfunktionen“ des Kiefergelenks und der Kaumuskulatur und umfasst verschiedene Symptomatiken im Gesichtsbereich wie z. B. Mundöffnungsstörungen; ein Knacken oder Reiben in den Kiefergelenken; Ohren-, Kopf-, Gesichtsschmerzen; Schmerzen beim Kauen.
Die Ursachen für CMD können die gleichen wie beim Zähneknirschen sein (u. a. psychische Faktoren), aber auch darüber hinausreichen. Die zahnärztliche Behandlung konzentriert sich in erster Linie auf eine umfangreiche Schienentherapie.

Bei Vorliegen von Anhaltspunkten auf mögliche andere Ursachen sollten jedoch auch HNO-Ärzte, Orthopäden, Neurologen und Augenärzte konsultiert werden.

Was die Muskulatur entspannt, hilft.

Zähneknirschen belastet die Kaumuskulatur, was zu einer Zunahme der Muskelmasse, Verspannungen und Bildung schmerzhafter Muskelknötchen führen kann. Deshalb sind prinzipiell alle Maßnahmen hilfreich, die die Muskulatur entspannen. Das kann durch Entspannungsübungen in Selbstbehandlung, Physiotherapie, Akupunktur oder auch durch Medikamente wie Botox geschehen. Diese Maßnahmen können das Knirschen zwar abmildern, bekämpfen aber nicht tieferliegende Ursachen wie psychische Belastungen. 

Physiotherapie

Physiotherapie ist eine gute Möglichkeit, schmerzende Muskulatur erfolgreich zu behandeln. Dabei bekommen Sie auch Tipps, wie Sie Fehlhaltungen am Arbeitsplatz oder im Alltag, die über die Hals-wirbelsäule und Kopfhaltung einen Einfluss auf die Kaumuskulatur haben können, vermeiden. 

Muskelentspannung/Selbstbehandlung

Entspannungsübungen können auch zu Hause selbst durchgeführt werden. Es gibt sogar Smartphone-Apps zur Selbstbehandlung - hier werden die Übungen per Video gezeigt, so dass sie einfach nachzumachen sind. 

 Akupunkturnadeln im linken menschlichen Ohr

Botox/Medikamente

Das aus der Faltenglättung bekannte Medikament hemmt die Kommunikation von Nervenzellen zum Muskel und bewirkt damit eine Entspannung der Muskulatur. Die Behandlung dauert nur wenige Minuten und der Effekt hält etwa 3-6 Monate an. Insbesondere bei schwerem Bruxismus, wenn andere Maßnahmen das Knirschen nicht stoppen können, kann Botox helfen.

Muskelentspannende Medikamente wie z. B. Clonazepam zeigen zwar positive Wirkungen, werden aber wegen der Nebenwirkungen (u. a. Abhängigkeit) nur zur Kurzzeittherapie empfohlen.

Akupunktur

Akupunktur kann helfen, die Muskulatur zu entspannen. Daneben sollen die Nadeln bei Anwendung an die Psyche beeinflussenden Akupunkturpunkten die Stressverarbeitung unterstützen.

Bio-Feedback-Therapie

Der Grundgedanke der Bio-Feedback-Therapie ist es, dem Patienten über ein spezielles Gerät Rückmeldung zu geben, wenn er knirscht (z. B. über einen Warnton). Ob das Knirschen damit dauerhaft therapiert werden kann, ist ungewiss. Oft verstärkt sich das Knirschen wieder, sobald das Gerät weggelassen wird. Wissenschaftliche Untersuchungen haben dieses Phänomen bestätigt. Fraglich ist auch, ob es bei nächtlicher Anwendung hilfreich ist, den Schlaf ständig zu unterbrechen oder ob damit der Stresslevel nicht noch zusätzlich erhöht wird.

"Wundermittel aus dem Internet?"

Im Internet finden sich viele Produkte, deren Hersteller eine schnelle Linderung der Beschwerden versprechen. Ob neuartige Schienen, spezielle Schlafkissen oder homöopathische Globuli - das Angebot ist vielfältig. Oft sollen neben dem Zähneknirschen auch gleich die Gesichts- und/oder Kopfschmerzen verschwinden. Das eine oder andere Produkt mag einen Versuch wert sein. Allzu vollmundigen Werbeaussagen sollten Sie jedoch mit kritischer Distanz begegnen. Wundermittel gegen das Zähneknirschen sind bis heute nicht bekannt geworden.


Diese Informationen auf Papier ...

... bekommen Sie unter Umständen bei Ihrem Hamburger Vertragszahnarzt.

Verlag

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Bildernachweis

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