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Die Qual der Wahl

Parlamentarischer Abend zur Bürgerschaftswahl in der Kammer

Am 20. Januar stellten sich in der Alstercity Gesundheitspolitiker der Bürgerschaftsparteien den Fragen von knapp 100 anwesenden Zahnärztinnen und Zahnärzten. Auf dem Podium saßen Jenspeter Rosenfeld (SPD), Birgit Stöver (CDU), Christiane Blömeke (GRÜNE), Deniz Celik (DIE LINKE) und Jennyfer Dutschke (FDP), die AfD musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Moderatoren waren Kammerpräsident Konstantin von Laffert und der KZV-Vorsitzende Dr. Eric Banthien.

In der Anmoderation ging Konstantin von Laffert auf den wenig inhaltsreichen Wahlkampf ein, der sich hauptsächlich mit dem Zweikampf zwischen Peter Tschentscher und Katharina Fegebank um das Bürgermeisteramt beschäftige. Die Gesundheitspolitik komme praktisch nicht vor, nur die Verkehrspolitik sei ein noch einigermaßen umkämpftes Thema.

Allerdings sorgte sich der Kammerpräsident um die Fortsetzung der erfolgreichen Arbeit der 2000 Hamburger Zahnärztinnen und Zahnärzte, die sich in den hervorragenden Zahlen zur Kariesfreiheit von über 80% der 12 Jährigen widerspiegle. Besonders belastende Themen für die Zahnärzteschaft seien die Investoren-MVZ, die Alignerthematik, der Fachkräftemangel und die überbordende Bürokratie in den Praxen.

Das Thema Investoren in der Zahnmedizin sorgte dann auch gleich für einige Überraschungen. Konstantin von Laffert berichtete erneut über verschiedene Gespräche, die junge Zahnärzte in der Kammer anonym geführt und dort von massivem Umsatzdruck berichtet hätten. Der Einzug des Fremdkapitals in der Zahnmedizin habe nun offenbar genau die Folgen, die die Kammer befürchtet hätte: Verkaufsdruck, bröckelnder Patientenschutz und das alles ohne Aufsicht der Kammern, da die „juristischen Personen“ in diesen MVZ nicht Mitglied der Zahnärztekammern seien. Der Präsident zitierte den am Tag vor der Veranstaltung erschienenen Aufmacher der „Welt am Sonntag“. Darin wurde nicht nur über die Auswüchse in der Zahnmedizin berichtet, auch im Bereich der Augenheilkunde ermittle die Staatsanwaltschaft gegen eine kommerzielle Kette, die unter dem Verdacht stehe nicht indizierte Star-Operationen verordnet zu haben.

Die Tatsache, dass sich der steuerliche Sitz der meisten dieser Anbieter in Steueroasen wie den Cayman Islands befinde,  sei – so Konstantin von Laffert – für die Kollegenschaft darüber hinaus sehr schwer zu ertragen. Von fairem Wettbewerb oder gleich langen Spießen könne hier wohl kaum die Rede sein. Kammervorstand Dr. Kathleen Menzel schilderte mit Nachdruck die abschreckenden Beispiele der Vergewerblichung der Zahnmedizin in Frankreich und Spanien, was die Abgeordneten sichtlich beeindruckte.

Während in früheren Hamburger Diskussionsrunden meist allein Deniz Celik von der Linkspartei ein sofortiges Verbot dieser Konstrukte forderte, waren sich jetzt die Politiker aus allen 5 Parteien weitgehend einig in ihrer kritischen bis ablehnenden Sicht der Fremdkapital-MVZ. Auch Birgit Stöver (CDU) stellte sich auf erneute Nachfrage eindeutig gegen den von ihrem Parteifreund Jens Spahn in Berlin gefahrenen Kurs und betonte – zur Freude der Anwesenden - die abweichende Linie der Hamburger CDU. Allerdings sei wohl auch die Unionsfraktion im Bundestag in dieser Frage gespalten.

Der Koalitionspartner im Bund, die SPD, hatte am Vortag über ihren Gesundheitspolitiker Prof. Karl Lauterbach schon den Stopp der Vergewerblichung der Medizin und Zahnmedizin gefordert. Dementsprechend äußerte sich auch Jenspeter Rosenfeld ablehnend zu den neuen Marktplayern. Christiane Blömeke (GRÜNE) bot darüber hinaus die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft an, was die Zuhörer positiv vermerkten. Auch die FDP betonte klar und deutlich ihre ablehnende Haltung gegenüber den Investoren-MVZ. Das Thema Aligner-Startups bewegte besonders die rund 30 anwesenden kieferorthopädisch tätigen Kolleginnen und Kollegen. Jennyfer Dutschke (FDP) war bei diesem Thema gut informiert, sie hatte bereits zwei kleine Anfragen an den Senat gestellt, die sich mit der ungeklärten Rechtslage der neuen Alignerhersteller befasste. Der Senat habe es sich nach den Worten Konstantin von Lafferts bei der Antwort allerdings relativ einfach gemacht, da laut Behörde die Kammer die rechtliche Thematik mit den dort angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzten klären solle. Für die meist jungen Kolleginnen und Kollegen eine kaum lösbare Aufgabe, die aufgrund erforderlicher umfangreicher Rechtsberatung auch teuer werden könne.

Die anderen Politiker räumten ein, dass ihnen das Thema bisher wenig geläufig war, reagierten aber ausnahmslos so wie die FDP-Vertreterin Dutschke: Sie standen der Thematik kritisch bis ablehnend gegenüber. Für die Kieferorthopäden ergriffen Dr. Luzie Braun-Durlak und Dr. Peter Wasiljeff das Wort und schilderten eindrucksvoll die Gefahren der neuen Aligneranbieter. Die Politiker versicherten glaubhaft, dass sie sich mit dem Thema weiter befassen werden und für diesbezügliche Regelungen im zu novellierenden Kammergesetz offen seien.

Beim Thema Fachkräftemangel appellierte Kammervorstand Dr. Maryla Brehmer an die Politiker, mehr Engagement für die dualen Berufe zu zeigen. Es könne nicht sein, dass die Politik dafür gesorgt habe, die
Abiturquote in den letzten 30 Jahren zu verdoppeln, die Kammer aber nun jedes Jahr höhere Investitionen für Werbekampagnen für den Beruf der ZFA einsetzen müsse. Nun entbrannte – Hamburger Schulfrieden hin oder her – zu später Stunde eine muntere Debatte über die aktuelle Schulpolitik in der Stadt. Birgit Stöver von der CDU betonte, dass die Abiturientenquote ihrer Meinung nach nicht weiter steigen dürfe und die fachlichen Anforderungen beim Abitur nicht weiter abgesenkt werden dürften. Linkspartei und Grüne betonten, dass man die Abiturquote nicht senken solle, Deniz Celik mahnte die mangelnde Durchlässigkeit der Gesellschaft beim Thema Bildung an.

Als Einleitung für das letzte Thema Bürokratie beklagte der Kammerpräsident die entgegen aller Versprechungen der Politik immer weiter steigende Bürokratielast der Praxen. Jens-Peter Rosenfeld (SPD) bedauerte dies, wollte aber einer „One-in-Two-out“ Regel bei der Einführung neuer Bürokratie nicht zustimmen. Die Entbürokratisierung müsse auch immer sinnvoll sein und könne nicht starren Regeln gehorchen.
Insgesamt gingen die Zahnärztinnen und Zahnärzte mit dem Eindruck nach Hause, dass die Politik bei den Themen Fremdkapital und Aligner ins Nachdenken gekommen ist. Erste Fehlentwicklungen und Skandale sowohl im Ausland als auch bei uns könnten dafür sorgen, dass der Druck auf Minister Spahn aus der eigenen Partei und vom Koalitionspartner doch noch Bewegung in diese Themen bringt. Bei den Themen Fachkräfte und Bürokratieabbau hingegen hatte die Politik wenig im Angebot, was mittelfristig hoffen lässt.