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Praxisgründung: 10 Fragen – 10 Antworten

Dr. Kathleen Menzel ist seit Januar 2019 Mitglied des Vorstands der Zahnärztekammer Hamburg und dort zuständig für die Themen junge Mitglieder und Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Um jungen Kolleginnen und Kollegen aufzuzeigen, wie Zahnärzte ihre Praxisgründung erlebt, welche Erfahrungen sie dabei gemacht haben und wie sie sich damit fühlen, interviewt Dr. Menzel frische Praxisgründer. Ihr ist es wichtig, deutlich zu machen, dass eine Selbstständigkeit auch heute bereichernd, wirtschaftlich und zeitlich gut möglich und mit Familie vereinbar ist. 

Heute im Interview: Dr. Simone Pretz: 
Dr. Kathleen Menzel (KM) Ab wann und warum wollten Sie Zahnärztin werden?

Dr. Simone Pretz (SP) Ich komme aus einem Elternhaus mit eigener Kfo-Praxis. Das hat mich geprägt. Trotzdem war ich mir lange sicher, einen anderen Beruf als mein Vater ergreifen zu wollen. Nach einem Eignungstest habe ich mich dann aber doch für ein Zahnmedizin-Studium entschieden. Das stellte sich schnell als gute Entscheidung heraus.

(KM) Wollten Sie sich schon immer selbstständig machen?

(SP) Das stand für mich lange nicht fest. Erst nach mehrjähriger Erfahrung als Angestellte wuchs der Wunsch nach Einfluss auf Entscheidungsprozesse. Ich hätte mir neben einer eigenen Praxis aber auch vorstellen können, als Partner einzusteigen. Vor allem, weil ich die Arbeit im Team schätze.

(KM) Ab wann sind Sie in die konkrete Planung für die Selbstständigkeit gegangen?

(SP) Die Entscheidung für eine Selbstständigkeit habe ich etwa ein Jahr vor der Eröffnung im Juni 2020 getroffen. Ab Sommer 2019 habe ich mich mit möglichen Standorten, der inhaltlichen Ausrichtung und Finanzierungsfragen beschäftigt. Lage, Lage, Lage – der alte Maklerspruch war dabei auch für mich zentral. In welchem Stadtteil Hamburgs sehe ich für mich Möglichkeiten? Amtliche Statistiken und „weiche“ Faktoren wie Entfernung zu unserem Wohnort waren dabei wichtig. Teil der Überlegung war aber auch, wie ein möglicher Standort angebunden ist und welche Stadtentwicklungspläne (Stichwort Immobilienpreise) vorliegen. In dieser Phase habe ich teils mit Depots zusammengearbeitet. Die meisten Recherchen habe ich aber neben meiner 20-Stunden-Anstellung selbst gemacht. 

(KM) Wie sind Sie die Gründung angegangen?

(SP) Marktanalyse und sozio-ökonomische Auswertungen der Stadtteile sind die Grundlage. Neubau? Altbestand? Übernahme? Diese Fragen haben mich danach lange beschäftigt. In dieser Zeit bin ich viel in den interessanten Stadtteilen herumgefahren, habe Praxen besichtigt, Immobilien angeschaut. Am Ende geht es wie immer um das Gesamtpaket. Das muss passen und erfordert eine gewisse Kompromissbereitschaft. Perfekte Lage, wenig Konkurrenz, günstige Miete und geringe Entfernung zum Wohnort – das alles zusammen ist nahezu unmöglich in einer Stadt wie Hamburg. Ich habe mich letztlich für eine Neugründung in den Räumen einer ehemaligen Zahnarztpraxis entschieden.
Zentral ist außerdem noch eine zweite Ebene: Was für eine Praxis will ich gründen? Welche Werte will ich vertreten? Was sind meine inhaltlichen Schwerpunkte? Daraus habe ich ein Selbstbild mit USPs abgeleitet. Als der Standort gefunden war, basierte die weitere Planung auf diesem Konzept: Farben, Einrichtung, Corporate Design. Damit alles zusammenpasst, sollte man sich bei einer Neugründung über diese grundlegenden Fragen ein paar Gedanken machen.

(KM) Was hat Ihnen am meisten geholfen?

(SP) Gute Beratung und eine Portion Mut. Henry Schein hat mir bei vielen Fragen helfen können. Auch der Rat von Kolleginnen mit eigenen Praxen war wichtig. Was sind realistische Zahlen für den Businessplan? Welche Kreditfinanzierungen bieten sich für mich an? Solche Fragen konnte ich durch mein privates und berufliches Netzwerk beantworten. Wichtig war aber auch die Unterstützung durch meinen Mann. In der Bauphase ist das A und O ein gutes Handwerkerteam. Da hatte ich großes Glück.

(KM) Was gefällt Ihnen am meisten an der Selbständigkeit?

(SP) Mir gefällt es, mein berufliches Umfeld selbst gestalten zu können. Das sorgt für Abwechslung und täglich neue Herausforderungen. Mich erfüllt und motiviert das sehr.

(KM) Was finden Sie nicht gut?

(SP) Ist zwar etwas abgegriffen, stimmt aber wirklich: Selbstständig zu sein heißt, selbst und ständig zu arbeiten. Dieser Tatsache muss man sich bewusst sein. Ich arbeite häufiger mal abends, das kann zulasten der Familie gehen. Themen nie komplett aus der Hand geben zu können – das kann manchmal anstrengend sein.

(KM) Was würden Sie nicht noch mal machen?

(SP) Bei einer Neugründung bieten viele Firmen aktiv ihre Dienstleistungen an. Gerade im Bereich Marketing würde ich das ein oder andere Angebot künftig nicht nochmal annehmen. Das wichtige Thema SEO würde ich außerdem früher in eine Hand legen. Meine Vorstellungsrunde bei den potentiellen Überweisern würde ich zudem mit mehr Vorlauf planen. Dieser Punkt braucht und kostet Zeit.

(KM) Würden Sie es wieder machen?

(SP) Auf jeden Fall!

(KM) Welchen Tipp würden Sie jungen Praxisgründern geben?

(SP) Fragt Kollegen: Ruft auch diejenigen an, die ihr nicht persönlich kennt. Wenn euch eine Website gefällt, euch die Einrichtung anspricht oder technische Fragen auftauchen, helfen sich Kieferorthopäden nach meiner Erfahrung gerne. Außerdem ist die eine oder andere WhatsApp-Gruppe zu Spezialthemen eine gute Infoquelle.

Habt Geduld: Bis die Praxis wirklich ausgelastet ist, kann es auch mal etwas dauern. Das ist eine große Chance, weil anfangs die Strukturen und Workflows erst aufgebaut werden müssen. Wer sofort mit einem großen Team in teuren Räumen beginnt, hat schnell wirtschaftlichen Druck und muss funktionieren. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass organisches Wachstum eine gute Atmosphäre schafft, die die Patienten bemerken und bei ihren Bewertungen honorieren werden.

Macht euch schlau: Wer eine neue Praxis gründet, hat Anspruch auf Förderung aus verschiedenen staatlichen Töpfen. Diese Brückenfinanzierung erleichtert den Start.