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Gutachtertagung 2022 von KZV und Kammer: Abfassung von Gutachten – worauf es ankommt!

Mitte September luden KZV und Kammer zur jährlichen Gutachtertagung ins Hotel Panorama nach Billstedt. Der Einladung folgten mehr als 50 ehrenamtliche zahnärztliche Gutachter mit einer Tätigkeit in der Kammer als Gerichtsgutachter, Privatgutachter oder Schlichtungsausschussmitglied sowie als KZV-Gutachter, Info-Liner oder Zweitmeinungsberater. 

Der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Dr. Peter Kurz, eröffnete die Tagung.  Gleich zu Beginn verabschiedete Dr. Kurz den Referenten des Gutachterwesens der Kammer, Thomas Springer. Dr. Kurz stellte heraus, dass Thomas Springer seit 2012 als Privatgutachter tätig ist und seit 2015 das Amt des Gutachterreferenten der Kammer innehat und dieses zum Ende der Legislaturperiode abgeben wird. Dr. Kurz bedankte sich bei Herrn Springer für seine ehrenamtliche Tätigkeit und seinen Einsatz. Thomas Springer sei immer ein fachkundiger, erfahrener und souveräner Ansprechpartner für die Gutachterinnen und Gutachter sowie für die Kammergeschäftsstelle. Thomas Springer bedankte sich seinerseits für die stets gute und einvernehmliche Zusammenarbeit, ebenso mit der Verwaltung. Die ehrenamtliche Tätigkeit als Gutachterreferent habe ihm viel Freude bereitet und ihn selbst bereichert. Das Gutachterwesen sei in Hamburg akzeptiert und laufe in der Regel einvernehmlich. Sein Amt als Privatgutachter wird er weiterhin ausführen und für seinen Nachfolger zur Einarbeitung und Unterstützung sehr gerne bereitstehen. 

Herr Springer begrüßte die drei neuen Privatgutachter für den Bereich Kieferorthopädie, Beate Klauß, Dr. Jan Herre und Jan Staack. Die Begutachtungen für Kieferorthopädie nehmen zu, insbesondere im Alignerbereich. Verabschiedet wurde Dr. Hans-Hermann Brand als Privatgutachter. Dr. Brand war 10 Jahre für die Zahnärztekammer in diesem Amt tätig. Sodann stellte Thomas Springer den Hauptreferenten der Tagung, Richter Wolfgang Frahm, vor. Richter Frahm ist Vorsitzender Richter des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Schleswig mit der Spezialzuständigkeit des (Zahn-)Arzthaftungsrechts. Drei Jahre war Richter Frahm wissenschaftlicher Mitarbeiter bei dem für Arzthaftungssachen zuständigen VI. Zivilsenat des BGH. Des Weiteren sei er Autor und Mitautor zahlreicher Veröffentlichungen zum Arzthaftungsrecht und seit mehr als 25 Jahren Referent für vielerlei Institutionen u. a. im Institut für Medizinrecht an der Bucerius Law School Hamburg. 

Für die Gutachtertagung hielt Richter Frahm einen Vortrag zum Thema: 

Der Sachverständige im Zahnarzthaftungsprozess: Abfassung von Gutachten – worauf es ankommt

Die Bedeutung des zahnärztlichen Sachverständigen im Zivilprozess wächst stetig weiter an. Diese Tatsache wurde von Richter Frahm ganz an den Anfang seines Vortrages gestellt und an zahlreichen Beispielen verdeutlicht.
Grundsätzlich sind im Arzthaftungsprozess die Aussichten auf einen Erfolg für die klagende Partei mit ca. 30% um 20% niedriger als in anderen Prozessen. Das gilt im Besonderen im Bereich der Behandlungsfehlerhaftung. Es ist die Beweislast, die es dem Patienten schwer macht, ein Abweichen vom Facharztstandard nachzuweisen. Es zeigt sich, dass Verstöße gegen die Dokumentationspflicht juristisch besser angreifbar sind. Daher nehmen derartige Prozesse tendenziell zu.
Aber auch die Aufklärungsfehler sind ein weit gefächertes Feld, um einen Arzt angreifbar zu machen.
Beispielhaft seien hier genannt: die wirtschaftliche Informationspflicht, Fehleraufklärung, die therapeutische Aufklärung, die Eingriffs- und Risikoaufklärung sowie die Aufklärung über Behandlungsalternativen.
Sachverständige ersetzen grundsätzlich das fehlende Fachwissen der Juristen. Bei der Tätigkeit der Gutachter liegt immer eine Weisungsabhängigkeit vom Gericht vor. Zahlreiche „Spielregeln“ bestimmen die Vorgehensweise auch der Gutachter. Die Frage einer eventuellen Befangenheit des Gutachters ist zu klären.

Der Beweisbeschluss bestimmt das Ausmaß der gutachterlichen Tätigkeit. Bereits vorliegende Gutachten sind stets zu berücksichtigen. Das Gutachten ist stets persönlich zu erbringen und hinzugezogene Fachleute sind eindeutig zu benennen.
Zum Ende des Vortrags ging Richter Frahm auch auf Dinge wie Honoraranspruch und Haftungsbedingungen des Gutachters ein und schlug damit einen großen Bogen rund um das Sachverständigenwesen geschlagen.
Im Anschluss an eine kurze Pause mit der Möglichkeit zu interkollegialen Gesprächen aller Beteiligten führte dann Dr. Gunter Lühmann, stellv. Vorstandsvorsitzender der KZV und Gutachterreferent, weiter durch die Tagung und dankte zunächst noch einmal Richter Frahm für seinen umfassenden und praxisnahen Vortrag. In einem kurzen Rückblick auf die Gutachtertätigkeit und die Patientenberatung der vergangenen 12 Monate zeigte er die Entwicklungen im Vergleich zu den Vorjahren auf. Für das Jahr 2022 zeichnet sich im Bereich der Primärkassen ein weiterer signifikanter Rückgang der Gutachten ab. Für den Bereich des vdek gibt es ein sich stabilisierend hohes Auftragsvolumen wie in den zwei Jahren zuvor und damit mehr als in der Vor-Corona-Zeit. Weiterhin spricht für die hohe Planungsqualität der Hamburger Kollegenschaft, dass 59% der Gutachten uneingeschränkt und weitere 26% eingeschränkt befürwortet wurden. Die Zahl der Gutachten im Beschwerdeverfahren ist über die Jahre hinweg stabil niedrig.

Im Bereich der Patientenberatung war wieder ein Anstieg der Beratungszahlen zu verzeichnen, welche sich überwiegend auf Fragestellungen zu Zahnersatzplanungen bezogen. Pandemiebedingt liegen die Zahlen noch leicht hinter den Volumina der vorpandemischen Zeit.
Neben den sich verfestigenden Erkenntnissen aus der neuen S3-Leitlinie zur Versorgung mit Vollkeramik sowie einigen wiederkehrenden technischen Verfahrensfragen zur Gutachtertätigkeit stellte Dr. Lühmann dann auch noch die ersten Vorzüge der Telematik im Bereich des Gutachterwesens vor. Denn der Versand von Dokumenten und Röntgenaufnahmen in Originalformat ohne Auflösungsverluste sind mit KIM ein echter Gewinn.
Zusammengefasst ist die verlässliche Leistungsbereitschaft der Gutachterinnen und Gutachter und in der Patientenberatung nach wie vor allen Anforderungen gewachsen.

Herr Springer führte zu den Statistiken der Privat- und Gerichtsgutachten weiter aus. Es wurden in 2021 33 Gerichtsgutachten und 43 Privatgutachten durchgeführt. Die Zahlen sind im Vergleich zu 2020 gesunken. Ob dies, wie vieles andere auch, mit Corona zusammenhängt, lässt sich nicht ermitteln. 
Abschließend bedankte sich Thomas Springer bei Richter Frahm für seinen sehr guten und informativen Vortrag sowie bei den Teilnehmern für ihren ehrenamtlichen Einsatz. Ohne diesen Einsatz wäre es nicht möglich, die vielfältigen Tätigkeiten in den Körperschaften auszuführen. Für die Qualitätssicherung und Fortbildung dieser Tätigen wird im nächsten Jahr wieder eine Gutachtertagung stattfinden.