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Information der Zahnärztekammer und der KZV Hamburg

Alterszahnmedizin

In Deutschland (wie in anderen Industrienationen im Übrigen auch) zieht der demographische Wandel sowohl wirtschaftlich (Stichwörter: Fachkräftemangel, Überlastung der Sozialsysteme) als auch für die (zahn-)medizinische Versorgung  große Herausforderungen nach sich. Denn:  Der Anteil von Menschen über 65 Lebensjahren in der Gesamtbevölkerung steigt kontinuierlich an (allein in den Jahren 2016 bis 2020: +4,4%; Quelle: destatis) 

Nicht zuletzt aufgrund der Bedeutung der Mundgesundheit für die Gesamtgesundheit ist es unerlässlich, für gute Mundhygiene und regelmäßige Reinigung und Überprüfung des Zahnersatzes zu sorgen.

Abrechnungszahlen zeigen positiven Trend bei aufsuchender ZM:
Die Deutsche Gesellschaft für AltersZahnmedizin (DGAZ), dgaz.org hielt vom 6.5. - 8.5.22 ihren Jahreskongress mit einer Vielzahl von Vortragenden ab. Der stellvertretende KZBV-Vorsitzende ZA Martin Hendges hielt beispielsweise einen beeindruckenden Vortrag zum Umfang des Behandlungsbedarfes für Pflegebedürftige. Während in fast allen Bereichen der Zahnmedizin (z. B. Extraktionen, Füllungen, Zahnersatz) aufgrund der Prävention der Leistungsbedarf zurückginge, würde wegen des demografischen Wandels und der zunehmenden Zahl alter und hochbetagter Menschen der Betreuungs-Bedarf in diesen Altersgruppen steigen. Die Zahnärzte müssten sich auf diesen verlagerten Bedarf einrichten. Aufgrund der AuB-Leistungen und der neuen PAR-Abrechnungs- und Behandlungsrichtlinien würden die Pflegebedürftigen nun in das Leistungsgeschehen einbezogen – vorausgesetzt die Zahnärztinnen und Zahnärzte würden die aufsuchende Zahnmedizin in ihre Praxen integrieren. Erste Trends aus den Abrechnungsstatistiken würden zeigen, dass dieser Honorar-Bereich nicht unattraktiv sei und einige Praxen es auch schon erkannt hätten.    

Pflegekräfte und Zahnmedizin
Schon am 11. März hatte das 5. DGAZ-Symposium zum Thema „Alterszahnmedizin und Häuslichkeit“ sattgefunden, denn ca. 80 % der pflegebedürftigen Patienten werden zu Hause von  Angehörigen und ambulanten Pflegediensten betreut. Referentin Ramona Waterkotte, ZFA, examinierte Pflegefachkraft und Soziologin, berichtete auf Grundlage eigener Erfahrungen, wie es bislang um die Mundgesundheit von vielen dieser Patienten stand. Die Mundpflege ist zwar als Teil der Körperpflege in den Leistungskomplexen der grundpflegerischen Versorgung enthalten. Auch wenn die vielen beteiligten Pflegekräfte vielerorts unter Zeitdruck gute Arbeit leisteten, käme die Mundgesundheit dennoch oft zu kurz. Manchen Fachkräften, so das Ergebnis einer Umfrage, sei gar nicht bekannt, dass ein Zahnarzt nach Hause kommen kann und dass die Mundpflege zur kleinen Grundpflege gehört. Gerade, wenn es Angehörige gibt, fehle das Bewusstsein, dass die Mundpflege zu den Aufgaben der ambulanten Pflege gehört.

Neue Leitlinie zur Mundgesundheit in der Pflege (Expertenstandard)!
Im Herbst 2022 wird die letzte Entwicklungsstufe absolviert sein und die neue Leitlinie zur Mundgesundheit in der Pflege erlangt Gültigkeit. Zum 01. Januar 2020 wurde die Pflegeausbildung vereinheitlicht und einer generalistischen Ausbildung der Pflegefachkraft zusammengeführt. Im Zuge der Reform und der neuen Leitlinie kommt es nun zu einer neuen Bedeutung der Mundgesundheit in der Ausbildung und Fortbildung. 
Denn: 

  • Fehlende Mundpflege ist ein Pflegefehler (MDK – Kontrolle wird erweitert)!
  • Anspruch des zu Pflegenden auf Mundpflege, wenn die Pflegeperson erkennt, dass der zu Pflegende die notwendige Mundpflege nicht allein durchführen kann.
  • Anspruch des zu Pflegenden auf einen Hausbesuch, wenn die Pflegeperson eine Gesundheitsbeeinträchtigung erkennt, die von einem Zahnarzt beurteilt werden muss. Wenn dann kein Zahnarzt kommt, sich kein Zahnarzt finden lässt, ist das kein Fehler der Pflege, sondern ein Fehler der Zahnmedizin (Stichwort: Versorgungssicherstellung). 

Anamnese-Checkliste ändern? 
Auf der oben genannten DGAZ-Jahrestagung gab es den Workshop Fortbildung „Patienten mit langer Medikationsliste: Was muss ich als Zahnarzt wissen…“. Einen kleinen Aspekt möchte der Autor dieser Zeilen aus den Workshop-Ergebnissen zitieren: In Deutschland wird von Zahnärzten viel Ibuprofen verordnet und Patienten besorgen sich auch selbst in der Apotheke Ibuprofen; Patienten mit Stents nehmen ASS, aber ASS wird offenbar durch Ibu inhibiert und Stents können sich verschließen!

Die Alterszahnmedizin ist paradoxerweise eine vermeintlich junge Disziplin innerhalb der Zahnheilkunde. Der interdisziplinären Sicht auf Erkrankungen kommt hier einmal mehr eine große Bedeutung zu. Aufklärungen à la  „Patienten mit langer Medikationsliste: Was muss ich als Zahnarzt wissen…“ gewinnen zunehmend an Bedeutung für die zahnärztliche Praxis.

Der für den 2. Juli geplante „Hamburger Tag der AltersZahnmedizin“ ist mangels Buchungsinteresses abgesagt worden. Statt eines kompakten Fortbildungsprogramms für ca. 150 Personen an einem Tag bereitet der Fortbildungsausschuss nun einzelne kleinere Seminare zu verschiedenen Themen vor.