Direkt zu den Inhalten springen
Das Portal für Zahnärzte
und Praxisteams
Information der Zahnärztekammer und der KZV Hamburg

Der Notdienst: ein Hamburger Vorzeigemodell mit Abnutzungserscheinungen

Die zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die in den Flächenländern praktizieren und i. d. R. auch die Nachtstunden ganzjährig mit Notdienstbereitschaften versorgen müssen, und die Körperschaften, die in den benachbarten Bundesländern den Sicherstellungsauftrag haben, schauen häufig neidvoll nach Hamburg. Längst wird fast überall im Bundesgebiet der Notdienst zentral zugeteilt. Eine eigenständige Belegung von Notdienstterminen durch die Zahnärzte/Zahnärztinnen selber gibt es anderswo kaum noch.

Das „Hamburger Modell“
Die Hamburger Notdienstordnung überlässt dem Vorstand der KZV die Einteilung zum Notdienst. Und der verfolgt mit den Organisationsformen zwei Grundgedanken:

  • Die Belastung durch die Notdienste für die Masse der niedergelassenen Kollegen sollte so gering wie möglich sein.
  • Das Prinzip des freiwilligen Engagements sollte immer im Vordergrund des Sicherstellungsgedankens stehen.

Bei der Umsetzung des ersten Grundgedankens profitiert die Zahnärzteschaft in Hamburg vom Großstadt-Status. Anders als in den Flächenländern ist es in Hamburg möglich und den Patienten innerhalb des Sicherstellungsauftrages zumutbar, nachts einen zentralen Notdienst aufzusuchen. Dafür hat der Vorstand Räumlichkeiten in der Stresemannstraße angemietet, eine notdienstgerechte Praxisausstattung angeschafft und einen Vertrag mit einem Zahnarzt geschlossen, der die Hamburger Kollegenschaft so von der Verpflichtung zum nächtlichen Notdienst zwischen 19:00 und 01:00 Uhr befreit.
Der zweite Gedanke, auf die freiwillige Wahrnehmung der verbleibenden Notdienst-Termine (Mittwochs und Freitags 16:00 bis 18:00 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen von 10:00 bis 12:00 Uhr und zwischen 16:00 und 18:00 Uhr) zu setzen, ist eine Hamburger Besonderheit, um die wir im Bundesgebiet beneidet werden. Möglich gemacht wird dies zum einen durch das Engagement der allermeisten Kolleginnen und Kollegen, die sich mit großer Selbstverständlichkeit dem Pflichtteil der vertragszahnärztlichen Tätigkeit stellen, und  zum anderen durch ein von der KZV gepflegtes Notdienst-Reservierungsportal, in dem die Praxen ihre Notdiensttermine für ein Quartal Monate im Voraus belegen können.

Die Erosion des Selbstverständnisses
Das Hamburger Modell stößt aber trotz des großartigen Engagements der Zahnärzteschaft insgesamt inzwischen an seine Grenze. Immer wieder wird im Vorfeld weder die vollständige freiwillige Belegung der Termine noch das für eine Nachbearbeitung durch die Mitarbeiterin der KZV notwendige Mindestniveau von 70% erreicht. Dies gilt insbesondere für Ferienzeiten und Feiertage. Das mag inhaltlich nachvollziehbar sein, konterkariert aber das Engagement der vielen Kolleginnen und Kollegen, für die die Besetzung von Notdiensten eine Selbstverständlichkeit darstellt. 

Bei der letzten Buchungsfreischaltung für den Notdienst des dritten Quartals konnte zunächst nur eine Notdienstauslastung im August von 50% erreicht werden. Daraufhin wurden 21 Praxen, die länger keinen Notdienst mehr wahrgenommen hatten, per E-Mail mit der Bitte, sich für entsprechende Termine einzutragen, angeschrieben. Nach Ablauf der Antwortfrist hatte nicht eine der angeschriebenen Praxen reagiert. Das ist ein bedenklicher Ausdruck eines veränderten Selbstverständnisses in der vertragszahnärztlichen Tätigkeit und ein Schlag in das Gesicht der engagierten Kolleginnen und Kollegen. 

Die aufwendige Nacharbeit und die stellenweise schwierigen Diskussionen, die mit den betreffenden Praxen geführt werden müssen, binden unnötig Kapazitäten, die an anderer Stelle für den Service der Körperschaft gegenüber der Zahnärzteschaft besser genutzt werden könnten. Zur Erinnerung: Um der durchschnittlichen Notdienstverpflichtung nachzukommen, reicht es in der Regel, in einem Zeitraum von 2 Jahren zwei bis drei Notdienste zu belegen, z. B. einen Mittwochnachmittag und einen Freitags-/Samstags-Notdienst.

Ausblick
Die Sicherstellung der Notdienstversorgung ist gesetzliche, vertragliche und satzungsgemäße Aufgabe der KZV und der Vorstand, der selber am Notdienst teilnimmt,  wird die Hamburger Grundsätze der Freiwilligkeit bei der Notdienstbesetzung nicht verlassen wollen. Aber dort, wo der Aufwand zur Besetzung der Termine durch das Verhalten einzelner zu groß wird, steht klar der Gedanke im Raum, nach einer Phase der freiwilligen Terminbesetzung die dann noch offenen Termine in Zukunft verpflichtend zuzuteilen. Begrüßenswert und gleichzeitig auch ein Ausdruck der Kollegialität in unser Stadt wäre es natürlich, wenn in Zukunft das Engagement der vielen Anerkennung durch ein Umdenken der wenigen erhält und Zuteilungsmaßnahmen überflüssig wären.    

Hintergründe

Rechte und Pflichten
Im Grunde genommen ganz einfach und nachvollziehbar: Das Recht, gesetzlich versicherte Patienten zu behandeln und die erbrachten Leistungen gegenüber den Krankenkassen abzurechnen, beinhaltet im Gegenzug auch Pflichten. Die wichtigste davon ist die Pflicht zur „Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung“. Also die Gewährleistung, dass die gesetzlich Versicherten tatsächlich auch jederzeit auf ein entsprechendes Behandlungsangebot zurückgreifen können. Dieses „Quidproquo“ findet dann auch in den Gesetzen (§75 Abs. 1 SGB V) und den Verträgen (§5 ABs. 1 BMV-Z) seinen Niederschlag und beinhaltet „… auch die vertragszahnärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst)“. Für die Umsetzung dieser Sicherstellungspflicht sind die Selbstverwaltungen, also die KZVen, verantwortlich.

Die Hamburger Notdienstordnung
Die KZV Hamburg hat dafür eine Notdienstordnung entwickelt, die durch die Vertreterversammlung beschlossen wurde. In dieser Notdienstordnung ist u. a. die Verpflichtung zur Teilnahme am Notdienst für jeden niedergelassenen Zahnarzt/Zahnärztin und jeden angestellten Zahnarzt/Zahnärztin festgeschrieben. Dauerhafte Befreiungen liegen vor für Fachzahnärzte/innen für Kieferorthopädie bzw. ausschließlich kieferorthopädisch tätige Zahnärzte/innen sowie für Fachzahnärzte/innen für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie sowie für die entsprechenden angestellten Zahnärzte/innen. Auch „Kinderzahnärzte/innen“ die nachweislich in mehr als 80 % der Fälle Kinder und Jugendliche behandeln, sowie Zahnärzte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, können sich vom Notdienst befreien lassen.

Bestandteil der Notdienstordnung sind auch Regelungen zur zeitweiligen Befreiung vom Notdienst (z. B. bei Schwangerschaft oder Erkrankungen verbunden mit „wesentlichen Einschränkungen der Tätigkeit“), Vertretungsregelungen und Erläuterungen zum Ziel und zur Durchführung des Notdienstes. (Link zur Notdienstordnung: www.zahnaerzte-hh.de/zahnaerzte-portal/praxis/notdienst/)