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Information der Zahnärztekammer und der KZV Hamburg

KZV-Hamburg-Vorstand im Gespräch

Der KZV-Hamburg-Vorstand ist seit fast drei Monaten im Amt und hat mit der HZB-Redaktion über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges gesprochen

HZB: Herr Dr. Banthien, Herr Dr. Lühmann und Herr Baus, fast drei Monate sind Sie nun im neuen, alten Amt. Ein Blick zurück: Ihre letzte Amtsperiode war von der Corona-Pandemie geprägt. Wie haben Sie diese Zeit persönlich erlebt? 

Dr./RO Eric Banthien: Die drei Jahre Corona-Pandemie waren für mich eine sehr aufregende Zeit. Die Herausforderungen waren groß, aber die Gestaltungsfreiheit durchaus auch. Vieles konnten wir tun, was wir noch nie so getan hatten, weil wir es überhaupt noch nie getan hatten. Und die Kolleginnen und Kollegen in Hamburg haben bewundernswert mitgezogen. Wir Zahnärztinnen und Zahnärzte sind schon ein besonderer Schlag. So schnell erschreckt uns keiner. Und wir sind Weltmeister in Hygiene. Eine Infektion aus der Praxis heraus hat es in Hamburg meines Wissens nicht gegeben.

Dr. Gunter Lühmann: Es stimmt, die Herausforderungen waren wirklich groß. Und als Kollege mit der Verantwortung für die Mitarbeiter und den Bestand einer Praxis hat man die Verwerfungen und Auswirkungen der Pandemie hautnah erfahren können. Das Bestreben, der Kollegenschaft so viel Hilfe und Unterstützung wie möglich zu geben, war noch präsenter, da man es aus den eigenen Erfahrungen kannte. Bewundernswert war auch die große Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen untereinander. Egal ob es um die Beschaffung von knappen Materialien und Ausrüstung ging, um den Einsatz bei der Versorgung von Notfällen, um Tipps bei der Aufrechterhaltung der Hygiene und vieles mehr. Auch die Kommunikation und das Zusammenwirken zwischen der Kollegenschaft und den Mitarbeitern aus den Abteilungen war immer von einem lösungsorientierten und pragmatischen Ansatz geprägt. Es war ermutigend zu sehen, dass alle gewillt waren, diese Situation gemeinschaftlich zu meistern.

Dipl.-Kfm. Stefan Baus: Intensiv. Gefühlt haben wir an einem halben Dutzend Fronten gleichzeitig gekämpft. Die Besorgung und Verteilung der damals fehlenden FFP2-Masken, die Umstellung der Arbeit in der KZV mit ihren über 50 Mitarbeitern im Lockdown binnen weniger Tage auf komplette Homeofficeregelungen oder die zahllosen liquiditätssichernden Einzelentscheidungen, mit denen die finanziellen Verwerfungen der Pandemie in vielen Praxen geglättet werden mussten: Das alles hat im Vorstand und in der KZV eine hohe Arbeitsdichte verursacht und war nur möglich, weil Körperschaften und Zahnärzteschaft zusammengestanden haben.   

Welche Rolle spielen Ihre Praxiserfahrungen als Zahnarzt bei Ihren Tätigkeiten in der Selbstverwaltung?

Dr./RO Eric Banthien: Meine Praxispartnerin öffnete einmal einen HVM-Bescheid und war entsetzt: „5000 Euro Einbehalt? Wie soll das denn funktionieren? Dafür haben wir doch geschuftet!“ Und genau das war immer und ist auch heute noch unser Ziel. Die zahnärztlichen Vorstände der KZV sollen die Auswirkungen ihres Handelns am eigenen Leibe erfahren und die Maßnahmen der KZV an der zahnärztlichen Praxis ausrichten. 

Dr. Gunter Lühmann: Die alltäglichen Erfahrungen und Nöte wie die Schwierigkeiten mit der fortwährenden Einführung der TI in den Praxisablauf, dem schwer zu negierenden Kostendruck oder dem ständig anzupassenden Management des Personalmangels hinterlässt bei allen Spuren. Also ergibt sich zwangsläufig daraus eine Art Richtschnur für unsere Sichtweise, unser Handeln und unsere Entscheidungen im Vorstand. Ich glaube fest daran, dass primär die eigenen authentischen Erfahrungen zu einer realistischeren Bewertung von Vorkommnissen im Praxisalltag führen und dass solche Standpunkte eher die tatsächlichen Problemlagen der Kollegenschaft erfassen. Und manchmal freut man sich auch über einen Erfolg und einem Mehrwert wie das jetzige EBZ-Verfahren, das im Detail aber auch noch weiterzuentwickeln ist.

In der VV gibt es mit der Neuwahl einen kleinen Umbruch. Welche Chancen sehen Sie darin? 

Dr./RO Eric Banthien: Die Chance einer schrittweisen Veränderung und Erneuerung der in der Selbstverwaltung handelnden Personen. Das klingt jetzt etwas geschwollen. Einfacher gesagt: Wir brauchen jüngere Mitstreiter und vor allem brauchen wir Zahnärztinnen, die bereit sind, in die Selbstverwaltung zu gehen. Wenn eine Selbstverwaltung mit Vertreterversammlung und den vielfältigen Gremien und Ausschüssen die Zahnärzteschaft in Hamburg vertreten will, muss sie auch die Versorgungswirklichkeit in der Stadt abbilden. 

Dr. Gunter Lühmann: Gleichzeitig brauchen und fordern gerade die jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die sich neu in der ehrenamtlichen Arbeit engagieren, Zeit, um sich  mit den Zielen, den Abläufen und Strukturen und auch den Fallstricken in der Selbstverwaltung vertraut zu machen. Ihnen diese Zeit zu geben und sie in der Zusammenarbeit mit den erfahrenen Kolleginnen und Kollegen an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen, wird die Position der Selbstverwaltung nach außen wie innen auch bei veränderter Zusammensetzung der zahnärztlichen Strukturen auf mittlere Sicht stärken. 

Welches werden die wichtigsten Aufgaben in der kommenden Amtszeit werden? Wie gehen Sie diese an? 

Dr./RO Eric Banthien: Der spannendste Kampf in den nächsten Jahren wird der gegen die strikte Budgetierung werden. Der Gesundheitsminister hat die Gelegenheit genutzt, da die Krankenkassen nach der Pandemie Defizite aufweisen, die strikte Orientierung an der Grundlohnsummensteigerung (zunächst auf zwei Jahre beschränkt, dafür sogar mit Abschlägen) wieder einzuführen. Das darf kein Dauerzustand werden.

Dr. Gunter Lühmann: Der Widerstand gegen die Kommerzialisierung der Gesundheitsversorgung und der Erhalt der effizienten und bewährten Praxisstrukturen wird ebenfalls eine wichtige Aufgabe sein und damit einhergehend der Erhalt der KZVen und KVen als Interessenvertretung der niedergelassenen Heilberufe. Denn wir stehen den Interessen der Konzerne, aber auch einiger Krankenkassen und Politiker im Weg. Sich deren Diktat zu beugen, würde nicht nur die Aufgabe der Selbstständigkeit bedeuten, sondern nach unser Überzeugung auch zu einer Verschlechterung in der Gesundheitsversorgung der Versicherten führen.

Dipl.-Kfm. Stefan Baus: Eine weitere Aufgabe wird es sein, die KZV Hamburg zukunftsfest zu machen. Genauso, wie wir Nachwuchs für die Standespolitik werben und die neuen Mitglieder der Selbstverwaltung an die komplexen Aufgaben heranführen, müssen wir auch innerhalb der KZV den Generationenumbruch schaffen. Dabei stehen wir vor denselben Herausforderungen des Fachkräftemangels wie alle. Hier neue – ggf. unkonventionelle –
Wege in der Anwerbung, Ausbildung und Bindung von Mitarbeitern zu beschreiten, wird uns ebenso beschäftigen wie die Gestaltung flexibler Organisationsstrukturen, die auf die immer neuen Anforderungen des Gesetzgebers und der Aufsichtsbehörden reagieren können.

Der Kostendruck, der auf den Praxen lastet, nimmt stetig zu. Gleichzeitig schieben die gesetzlichen Krankenkassen Milliardenverluste vor sich her. Vor diesen Hintergründen: Was erwarten Sie für die künftigen Punktwertentwicklungen?

Dr./RO Eric Banthien: Wir werden kämpfen müssen. Sicher noch mehr als zuvor. Mit dem Rückfall in die strikte Budgetierung durch das GKV-FinStG hat der Bundesgesundheitsminister vorbei an allen Realitäten ein fatales Zeichen gesetzt. Dieses Verständnis von Sanierungsmöglichkeiten des Gesundheitswesens zu Lasten der ambulanten Versorgung müssen wir in jedem Fall durchbrechen.

Dipl.-Kfm. Stefan Baus: Für die kommenden zwei Jahre hat der Bundesgesundheitsminister mit dem GKV-FinstG und der für unsere Begriffe systemwidrigen sofortigen Wiedereingliederung der neuen PAR-Leistungen in den budgetierten Sachleistungsbereich einen sehr engen Rahmen für die Punktwertentwicklung gesetzt. Das Maximale dieses Rahmens in den Verhandlungen mit den Kassen zu definieren, ohne dass die Versorgung der Patienten leidet, ist unser Ziel. 

Dr. Gunter Lühmann: Der Gesetzgeber legt im SGB V ausdrücklich fest, dass Veränderungen in den Kostenstrukturen und in den Leistungsstrukturen – wie zuletzt durch die neue PAR-Behandlungsstrecke – Kriterien für die dynamische Weiterentwicklung der Gesamtvergütung sein können. Das muss sich auf mittlere Sicht auch wieder im Verständnis der Kassenseite bei den Verhandlungen wiederfinden.

In den vergangenen Wochen macht das Bundesgesundheitsministerium viel mit neuen Vorhaben von sich reden. Eines ist die Begrenzung von sogenannten iMVZ. Nachdem die Politik jahrelang dieses Thema eher stiefmütterlich behandelt hat – was ist hier Ihre Erwartungshaltung? 

Dr./RO Eric Banthien: Es gibt immer noch genug Akteure im Gesundheitswesen, die das Heil in der industriellen Erbringung von Gesundheitsleistungen sehen. Motto: je höher die Stückzahl, umso niedriger der Stückpreis. Konzerne verbilligen die Versorgung. Ich bin mir sicher, dass auch in den Vorständen der Krankenkassen so gedacht wird. Schließlich sitzen dort seit einiger Zeit auch hauptsächlich Wirtschafts- und Finanzfachleute. Wie übrigens in den Krankenhäusern auch. Der klare Trend seit Jahren ist, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung so preiswert wie möglich zu gestalten. Nicht zufällig war es die Gesetzgebung, die die Investoren-MVZ überhaupt erst ermöglicht hat. Dass die neue Regierung nun verspricht, etwas gegen die Kommerzialisierung der Gesundheitsversorgung zu tun, erfüllt mich mit viel Freude, aber nur wenig Hoffnung. Ob sich die Politik tatsächlich der Lobby der Krankenhauskonzerne und Investoren entgegenstemmt, die sie ja selber gerufen hat, möchte ich erstmal abwarten. Wir dürfen uns jedenfalls nicht entspannt zurücklehnen. Der Weg ist noch weit und der Kampf wird lang.

Die Themen rund um die TI erhitzen die Gemüter der Hamburger Zahnärztinnen und Zahnärzte. Wie stehen Sie zur TI, wie positioniert sich die Standespolitik? 

Dr. Gunter Lühmann: Maßnahmen, die der Gesetzgeber für verpflichtend erklärt, können wir leider nicht von den Praxen fernhalten. Ideal wäre es, wenn wir schon im Entwicklungsstadium beteiligt wären, wie es die Struktur der gematik ja suggeriert. Leider sorgen immer wieder Eingriffe des Gesetzgebers, die Praxisferne der TI-Entwickler und die große Eile, mit der der Gesetzgeber das Gesundheitswesen digitalisieren will, für Lösungen, die die Sache eher komplizieren, als dass sie Nutzen stiften. 
Aus Sicht der Zahnärzteschaft stellt sich die Frage: Cui bono? Wer profitiert und zu welchen Kosten? Derzeit sehen wir bei vielen Anwendungen Vorteile bei den Kos-tenträgern und Nachteile in Form von einem Mehr an Bürokratieaufwand und Kosten in der Umsetzung der Anforderungen bei den Praxen. Es gibt zwar erste Anwendungen, die auch der Zahnärzteschaft die Arbeit stellenweise erleichtern. Dazu gehört generell die elektronische Abrechnung oder das elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren EBZ, das eine schnellere Bearbeitung der Heil- und Kostenpläne möglich gemacht hat. Aber unsere Forderungen für die Weiterentwicklung der TI sind klar: Strukturen und Anwendungen müssen ausreichend praxiserprobt sein, bevor sie genutzt werden. Das Fehlermanagement und die Behebung von Problematiken in den viel zu komplexen Strukturen darf nicht an den Praxen hängenbleiben. Die Anbieterseite muss endlich ausreichende Servicequalitäten zu angemessenen Gebühren zur Verfügung stellen und – für die unmittelbare Zukunft: Der Austausch der Konnektoren muss komplett aufwandsneutral für die Kolleginnen und Kollegen vonstattengehen.

Zum Abschluss: Aus Ihren Referaten: Auf was können sich die Hamburger Zahnärztinnen und Zahnärzte einstellen?

Dipl.-Kfm. Stefan Baus: Bei der Verwaltung: hoffentlich nicht auf Überraschungen. Die beste Verwaltung ist eine, die man wenig spürt, aber gleichzeitig als Ansprechpartner für ihre Mitglieder kompetent in den Sachfragen und erreichbar ist. Das war und ist unsere Philosophie hier in Hamburg. Wir wollen transparent und flexibel sein. Wir liegen unter dem Bundesdurchschnitt der Verwaltungskosten pro Fall, konnten die Sanierung des Zahnärztehauses und die Umstellung auf andere Arbeitssystematiken „geräuschlos“ durchführen und haben in den letzten zwei Jahren dank der Haushaltspolitik, die wir gemeinsam mit dem Finanzausschuss gestalten, auf insgesamt fast 1 Mio. € an Verwaltungskostenbeiträgen verzichten können. Das ist die Art innerer Verwaltung, die wir für die Mitglieder fortsetzen wollen.

Dr. Gunter Lühmann: Vieles passiert unprätentiös und lautlos im Hintergrund. Trotzdem wollen wir uns im Zusammenwirken mit der Zahnärzteschaft noch weiter verbessern. Im Bereich des Gutachterwesens werden wir auf Bundesebene gemeinsame Qualitätsstandards entwickeln. Hier wird es auch in Zukunft auf das kollegiale Miteinander von Gutachter:innen und den planenden Kolleginnen und Kollegen ankommen, um diese Standards z. B. bei komplexen Planungen oder der Frage des Informationsgehaltes der Röntgenbilder festzuschreiben.
Auf der Agenda steht auch ein neu zu installierender stetiger Austausch mit den Teilnehmern in der TI. Dazu wollen wir regelmäßig oder anlassbezogen mit den TI-Leistungsanbietern und PVS-Herstellern in Gespräche eintreten, um die Handhabung der Anwendungen zu verbessern und zu erleichtern. Wir werden dazu z. B. für alle frischen und auch routinierten Nutzer der Telematik eine niederschwellige Austausch- oder Fortbildungsmöglichkeit entwickeln und anbieten. 

Dr./RO Eric Banthien: Die strikte Budgetierung muss wieder aufgehoben werden, das ist mein primäres Ziel. Und dann müssen wir die korrekte Einpreisung der für die neue PAR-Behandlungsstrecke benötigten Honorare in die Gesamtvergütung nachholen. So, wie sie für die Jahre 2023 und 2024 vertraglich vereinbart war und durch das GKV-Finanzstabilisierungs-Gesetz verhindert wird. Ansonsten ein „weiter so“ im besten Sinne. Die Vertragssystematik der Ausschöpfung für Hamburg erhalten und die bestmöglichen Verhandlungsergebnisse erzielen. Bescheiden kann ich ja privat sein.