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Was kann Prävention leisten?

Autor Prof. Dr. Zimmer ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (dgpzm) und hält beim 18. Hamburger Zahnärztetag im Januar 2024 den Vortrag „Was kann Prävention leisten?“

Zu Beginn der 1990er Jahre hatten Zwölfjährige in Deutschland im Durchschnitt 3,7 an Karies erkrankte Zähne. International lagen wir damit im Vergleich zu Ländern mit ähnlichem sozio-ökonomischem Status im unteren Drittel. In der letzten bevölkerungsrepräsentativen Erhebung des Institutes der Deutschen Zahnärzte (IDZ) von 2016 lag dieser Wert bei 0,5, nach den Erhebungen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ) sogar nur noch bei 0,44. Damit steht Deutschland in Bezug auf Zahngesundheit bei Zwölfjährigen international an der Spitze. Dies wurde durch das Zusammenwirken verschiedener Maßnahmen, die alle vor gut 30 Jahren begannen oder intensiviert wurden, erreicht: Gruppenprophylaxe in Schulen und Kindertagesstätten, IP-Positionen und Prophylaxe-Programme mit professioneller Zahnreinigung, die in den Zahnarztpraxen erbracht werden, sowie die Einführung von fluoridiertem Speisesalz. Parallel dazu stieg über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren die Fluoridkonzentration in Zahnpasten für Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahren um ca. 25% und liegt heute durchgehend nahe an der erlaubten Obergrenze von 1.500 ppm Fluorid.

Allerdings gibt es in verschiedenen Altersgruppen noch erhebliche Präventionslücken. So liegt der Kariesbefall im Milchgebiss mit durchschnittlich 1,7 an Karies erkrankten Zähnen bei Sechsjährigen immer noch zu hoch und bereits Dreijährige haben im Durchschnitt 0,5 kariöse Milchzähne. Die Gründe dafür liegen wahrscheinlich in den bis 2018 zu niedrig konzentrierten Fluoridzahnpasten für Kinder bis sechs Jahre. Mittlerweile sieht die Empfehlung ab dem Durchbruch des ersten Milchzahnes eine Fluoridkonzentration von 1.000 ppm statt früher 500 ppm vor. Außerdem haben Kinder vom sechsten bis zum vollendeten 33. Lebensmonat seit 2019 Anspruch auf frühkindliche Untersuchungen sowie bis zu vier Applikationen eines hoch konzentrierten Fluoridlackes pro Jahr. Diese Maßnahmen lassen eine positive Entwicklung der Zahngesundheit auch für das Milchgebiss erwarten.

Eine weitere Präventionslücke öffnet sich im jungen Erwachsenenalter. Mit dem 18ten Geburtstag endet die von der GKV finanzierte Individualprophylaxe. Vierzigjährige weisen in Deutschland im Durchschnitt 11,2 und jüngere Senioren im Alter von 70 Jahren 17,7 an Karies erkrankte Zähne auf. Außerdem ist die Prävalenz der Parodontitis hoch. Hier ist es wichtig, weiter daran zu arbeiten, dass möglichst viele Erwachsene in den Genuss von Präventionsprogrammen mit professioneller Zahnreinigung in den Zahnarztpraxen kommen. Deren Notwendigkeit wird zwar verschiedentlich angezweifelt, ihre Wirksamkeit in der Vorbeugung von Karies und Parodontitis ist aber durch kontrollierte klinische Langzeitstudien zweifelsfrei belegt. Ein weiterer, neuer Ansatz kann die niedrigschwellige betriebliche zahnmedizinische Prävention sein, die Berufstätige am Arbeitsplatz erreicht. 

Eine große Herausforderung stellt die Prävention bei Menschen mit Pflegebedarf dar, deren Zahl in Deutschland mittlerweile bei fünf Millionen liegt. Nur 14 % davon leben in stationären Pflegeeinrichtungen und sind im Rahmen von zahnärztlichen Kooperationsverträgen einigermaßen gut zahnmedizinisch zu erreichen. Für die rund 4,2 Millionen Pflegebedürftigen, die in ihrer eigenen Wohnung leben, gibt es bislang keine überzeugenden Präventions- und Versorgungskonzepte.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die zahnmedizinische Prävention in den zurückliegenden 30 Jahren viel erreicht hat und auch weiterhin auf einem guten Weg ist, wenn vorhandene Konzepte konsequent umgesetzt werden. Offen ist vor allem die Frage der effizienten Betreuung von Menschen mit Pflegebedarf, die zu Hause leben. Als Zahnärzteschaft tragen wir gemeinsam Verantwortung, auch für diese Menschen zu sorgen.

Univ.-Prof. Dr. Stefan Zimmer, Fachzahnarzt für 
Öffentliches Gesundheitswesen
Lehrstuhl für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin
Universität Witten/Herdecke
Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten

Möchten Sie mehr zum Thema Prävention erfahren? Direkt von Prof. Dr. Zimmer (u. a. Leiter der Abteilung für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke), Prof. Dr. Falk Schwendicke (u. a. Gutachter für über 40 Fachzeitschriften, Mitherausgeber des Journal of Dental Research und Leiter verschiedener Arbeitsgruppen bei WHO, DIN und FDI.), Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen (u. a. gewähltes Mitglied der Leopoldina, Deutsche Nationale Akademie der Wissenschaften) und anderen namhaften Refenten zum Thema? Dann sichern Sie sich jetzt einen Platz beim 18. Hamburger Zahnärztetag am 26.01. und 27.01.2024 im Hotel Empire Riverside.