Direkt zu den Inhalten springen
Das Portal für Zahnärzte
und Praxisteams
Information der Zahnärztekammer und der KZV Hamburg

Bundesgerichtshof stärkt die Rechte der Zahnärzte

Zahntechnische Leistungen des praxiseigenen Labors können gemäß § 9 Absatz 1 GOZ mit einer angemessen kalkulierten Gewinnmage berechnet werden

Im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit klagte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. gegen einen Hersteller, der ein CAD/CAM- gestütztes System für die Herstellung von Zahnersatz vertreibt. Der beklagte Hersteller warb für dieses System u. a. mit der Behauptung, „die individuelle Kalkulation der Laborkosten erlaube abweichend von den BEL II oder der BEB eine eigene Kalkulation der tatsächlich entstandenen Laborkosten, es entstehen Zahnärzten Freiräume für patientenindividuelle Lösungen“. Die Klägerin behauptete im Rahmen ihres Unterlassungsantrages, nach § 9 Absatz 1 GOZ dürfe der Zahnarzt für zahntechnische Leistungen nur die tatsächlich entstanden Kosten abrechnen, also keine Gewinnmarge ansetzen. 

Der Bundesgerichtshof hat nun in seiner Entscheidung vom 13.07.2023 – I ZR 60/22 - die Urteile der Vorinstanzen (LG Darmstadt - OLG Frankfurt) bestätigt und die eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das höchste deutsche Zivilgericht hat rechtskräftig festgestellt, dass es Zahnärzten erlaubt ist, zahntechnische Leistungen, die im praxiseigenen Labor erbracht werden, im Rahmen der Berechnung der Auslagen nach § 9 Absatz 1 GOZ mit einer Gewinnmarge abzurechnen. 

Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, dass § 9 Absatz 1 GOZ die Abrechnung eines angemessen kalkulierten Gewinnanteiles für die vom Zahnarzt in seinem Praxislabor erbrachten zahntechnischen Leistungen nicht ausschließt. So sei es unstreitig, dass zu den nach § 9 Absatz 1 GOZ abrechenbaren Auslagen solche gehören, die durch ein externes Dentallabor erbracht werden. Diese von einem Drittanbieter berechneten Kosten dürfen nur in der tatsächlich entstanden Höhe gegenüber den Patienten berechnet werden. Deshalb sei die Berücksichtigung einer (weiteren) Gewinnmarge durch den Zahnarzt in diesem Fall von § 9 Absatz 1 GOZ ausgeschlossen. Anders jedoch verhält es sich, wenn die zahntechnischen Leistungen durch ein eigenes Praxislabor erbracht werden. In diesem Fall – so der Bundesgerichtshof – sei es zulässig, wenn die im praxiseigenen Labor erbrachten Leistungen unter Einschluss eines angemessenen kalkulierten Gewinnanteiles berechnet werden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 9 Absatz 1 GOZ. So enthalte diese Bestimmung kein ausdrückliches Verbot, bei der Abrechnung des Zahnarztes für im praxiseigenen Labor erbrachte zahntechnische Leistungen einen angemessenen Gewinnanteil zu berücksichtigen. Es entspreche auch dem Sinn und Zweck dieser Regelung, einen angemessenen Gewinnanteil für die im Praxislabor erbrachten zahntechnischen Leistungen zu berücksichtigten. So sei zu berücksichtigten, dass der Zahnarzt, wenn er ein praxiseigenes Labor betreibt, ein betriebswirtschaftliches Risiko trage, welches mit einer Gewinnmarge kompensiert werden müsse. Dies gelte auch unabhängig davon, dass es sich bei dem praxiseigenen Labor um einen unselbständigen Nebenbetrieb der zahnärztlichen Praxis handelt. 

Nicht vom BGH zu entscheiden war, ob die im Praxiseigenlabor erbrachten zahntechnischen Leistungen gegenüber gesetzlich Versicherten einen Gewinnaufschlag zulassen; nach § 57 Abs. 2 Satz 6 SGB V sind derartige Leistungen um 5 % nach der sog. BEL II zu vermindern. Dieser Betrag dürfte über den tatsächlich anfallenden Kosten liegen und damit ebenfalls einen kalkulatorischen Gewinnaufschlag beinhalten.

Nach Auskunft der Bundeszahnärztekammer betreibt rund die Hälfte der ca. 46.000 in Deutschland niedergelassenen Zahnärzte ein praxiseigenes Labor, davon 16 Prozent mit angestellten Zahntechnikern. Sie erwirtschafteten im Jahr 2021 einen Umsatz von rund € 2,2 Mrd. Davon entfallen ca. € 520 Mio. auf die zahntechnischen Leistungen, die im praxiseigenen Labor gegenüber Privatpatienten sowie außervertraglich als Auslagen berechnet werden. Diese Zahlen verdeutlichen, welche Auswirkungen eine anders lautende Entscheidung des BGH zur Folge gehabt hätte. Die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit, ein praxiseigenes Labor zu betreiben, wäre entfallen, wenn für die berechnungsfähigen Kosten lediglich der tatsächliche Aufwand – vergleichbar der Auslagenerstattung für externe Dentallabore – zu berücksichtigen wäre. Oder anders formuliert: Es hätte das Ende der zahntechnischen Eigenlabore bedeuten können.  

Rechtsanwalt
Sven Hennings
Fachanwalt für Medizinrecht
- CausaConcilio Hamburg -